Welche Zukunft erwartet uns?
Inzwischen ist es unbestreitbar: Bei allem, was die Geschlechter verbindet, gibt es ebenso gravierende Unterschiede. Viele Menschen beschleicht bei diesem Gedanken noch immer großes Unbehagen. Doch Wissen schützt vor Ungewissheit, bösen Überraschungen und Ärgernissen. Im Privaten bedeutet das, den Partner oder die Partnerin, die Tochter oder den Sohn anders sein lassen zu können, Andersartigkeit schätzen zu lernen und vielleicht auch weiterhin das eine oder andere Mal leise zu schmunzeln, weil das geliebte Wesen sich dem eigenen Verständnis nach unpraktisch verhält oder wenig elegant agiert. Im Geschäftsleben wird sich das heutige übliche, unerbittliche Konkurrenzverhalten zumindest in einigen Teilbereichen verändern müssen. Und das wird der Wirtschaft gut bekommen.
Noch immer werden die meisten Unternehmen nach streng männlichen Regeln geführt und nach ebenso männlichen Maßstäben bewertet. Prof. Sita Mazumder von der Hochschule Luzern erinnerte mich kürzlich in einem ihrer Vorträge über Personalpolitik wieder einmal an die Anforderungen, die an Kandidaten für Führungspositionen gestellt werden. »Durchsetzungsfähigkeit« ist immer mit dabei. Zwar wird auch Teamfähigkeit erwartet, jedoch zumeist nur auf dem Papier, wie sich feststellen lässt, sobald man einen näheren Blick auf Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen wirft. Der Wettbewerb im Unternehmen und auf dem Markt ist das stärkste Motiv von allen. Und genauso verhalten sich Firmen, die diesen Prinzipien inzwischen blind folgen, auch ihrer Kundschaft gegenüber. Kundinnen und Kunden sind heute nur Mittel zum Zweck, um abstrakte Ziele wie Gewinn von Marktanteilen, Verdrängung,Wachstum und Rendite zu realisieren.
Doch die Kunden, und insbesondere die Kundinnen, spüren das. Sie spüren die eigene Beliebigkeit und die geringe Wertschätzung. Inzwischen haben sie jedoch eine Wahl. Immer öfter zeigen sie jenen, die ihnen ein schlechtes Gefühl vermitteln, die kalte Schulter. Es gibt mehr als genug Alternativen, besonders in den Städten. Arcandor ist nicht das einzige Beispiel für einen Konzern, der es über einen langen Zeitraum nicht verstanden hat, sich auf die Kundinnen und ihre Bedürfnisse einzustellen. Es bleibt abzuwarten, ob Nicolas Berggruen die Rettung Karstadts langfristig tatsächlich gelingt.
Und es bleibt viel schwieriger, die Kundin zu verstehen, als den Kunden, wenn Unternehmensspitzen und Entscheiderposten weiterhin nur von Männern besetzt werden, wenn die Geschäftsführer und die »Kreativen« in Agenturen Männer sind und sie alle wenig Bereitschaft mitbringen, die Verschiedenartigkeit von Konsumenten und Konsumentinnen zu akzeptieren und wirklich zu verstehen. Die Weigerung, sich als Unternehmen kundenorientiert, und damit menschenzentriert, also mehr nach dem weiblichen Prinzip, aufzustellen, ist über kurz oder lang wirtschaftlicher Selbstmord. Bosch verschaffte sich, wie gesehen, den entscheidenden Marktvorsprung, der die Firma noch Jahrzehnte tragen wird. Doch noch immer sind viele Unternehmenslenker einem mechanistischen Weltbild verhaftet. Sie glauben noch immer an den Vorsprung durch technische Innovationen. Wir haben heute die Möglichkeit, beinahe alles zu erfinden. Nur wohin führt es, wenn Dinge und Technologien erfunden werden, die kein Mensch braucht? Und was passiert, wenn ein Wettbewerber etwas früher begreift als das eigene Unternehmen? Er wird ganz klar das Rennen um die Gunst der Konsumentinnen und/oder der Konsumenten gewinnen. Bekanntlich bleiben die ersten immer im Gedächtnis, deswegen konnte Coca Cola bei aller Anstrengung keinen Energy-Drink mehr auf dem Markt etablieren. Red Bull war zuerst da und konnte selbst von dem Getränke-Giganten nicht geschlagen werden. Die Innovation liegt nicht mehr auf Produkt- oder Markenebene, sondern bei den Käufern und Verwendern.
Obwohl die Macht längst bei den Kundinnen und Kunden liegt, tun viele Unternehmen noch so, als könnten sie selbst die Bedingungen diktieren. Solange sie noch mit den Konsumenten um die Vorherrschaft rangeln, werden sie verlieren. Diese Entwicklung wurde durch die Customer Driven Communication in Form von Web 2.0 und Social Media beschleunigt, und sie gewinnt weiter an Fahrt.
Zwischen Unternehmen und (männlichen) Kunden würden die alten Methoden zweifellos noch eine ganze Weile länger funktionieren. Doch in Bezug auf weibliche Zielgruppen bedarf es eines gänzlich neuen Marktverständnisses. Es ist Zeit, den Kampf mit den Kundinnen um die Überlegenheit zu beenden. Es ist Zeit, die Unternehmenskulturen fundamental zu verändern, indem die Partnerschaft mit der Kundin an die Stelle des Diktats gesetzt wird. Michael J. Silverstein und Kate Sayre von der Boston Consulting Group haben 2009 eine internationale Studie durchgeführt. Ihre Zahlen zeigen die heutige Realität und die Entwicklung in den kommenden Jahren auf. Schon heute kontrollieren Frauen weltweit 64 Prozent aller privaten Konsumentscheidungen. Das entspricht einer Summe von 20 Billionen Dollar. Dieser Betrag wird sich in den kommenden Jahren auf 28 Billionen Dollar erhöhen. Davon verdienen die Frauen derzeit 13 Billionen Dollar, künftig 18 Billionen Dollar. Silverstein und Sayre weisen explizit
darauf hin, dass der Markt, der durch Frauen entsteht, mehr als doppelt so groß ist wie der Chinas und Indiens zusammengenommen. Dabei haben sie die Märkte noch nicht berücksichtigt, die sich jetzt zu entwickeln beginnen, die Märkte in Ländern, die gerade Dank der Mikrokredite an Frauen enorm an Wachstum zulegen.
Der Wandel in den regionalen, nationalen und globalen Märkten betrifft ausnahmslos alle. Unternehmen sind gefordert, die exponentiell steigenden Ansprüche der Konsumenten zu bedienen. Die Managements stehen vor schwierigen Aufgaben, ihre Unternehmen in die Zukunft zu führen. Das wird ihnen nur gelingen, wenn sie die veränderten Markterfordernisse voraussehen, frühzeitig reagieren und den Kundinnen und Kunden erklären können, was sie tun. Und hier kommt die Gender Marketing Communication ins Spiel.
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