Samsung: „Krass, ist der riesig“

Samsung hat am 04.09.2017 zur IFA ein Video über Twitter verbreitet, das mit „Krass, ist der riesig“ (sic!) beginnt. Das Video wurde nur von wenigen Medien überhaupt bemerkt und aufgegriffen, allen voran Meedia. Von einem Shitstorm kann nicht die Rede sein, weil es bis heute, drei Tage später, nur 134 Reaktionen darauf gab. Und so verwundert es nicht, dass die W&V nun vermeldet, Samsung reagiere „zeitnah und entspannt“. Ein Shitstörmchen also.

Ein Meisterstück ist das Geschehene dennoch nicht. Aber schauen Sie erst einmal selbst, falls Sie es noch nicht kennen:

Was ist passiert?

Samsung hat offenbar eine „Influencerin“ und ihre Medienkontakte zu ihren jungen Followern nutzen wollen: Julia Krüger. Sie selbst und Samsung lassen wissen, dass der Text ihrer spontanen Eingebung entsprang, also weder vorgegeben noch sonst wie gescripted war. Julia Krüger gab sich überrascht über die Reaktionen auf ihre angebliche Ehrlichkeit.

Im Grunde ist also fast nichts passiert. In China raschelte eine Pappel. Aber eben doch nur fast. Und deshalb schreibe ich doch etwas darüber.

 

Was lässt sich aus dieser Geschichte lernen?

1. Stereotypen sind nie harmlos. Sie schaden immer jemandem.

Wenn Frauen (welchen Alters auch immer) sich dumm stellen oder zeigen und auf diese Weise ein gesellschaftliches Stereotyp bedienen, reagieren klügere Menschen verärgert. Dahinter steckt zumeist auch eine große Enttäuschung darüber, dass dieser unerquickliche Unsinn in die nächste, völlig überflüssige Verlängerung geht.

Das Schlimme an negativen Stereotypen ist, dass sie Eigenschaften auf eine Gruppe verallgemeinern und der Verbreiter des Stereotyps damit diese Gruppe gegenüber einer anderen herabsetzt. Wenn also eine Frau gezeigt wird, die von sich (wieder einmal) behauptet, von Technik nichts zu verstehen, dann trifft sie keine persönliche Aussage über sich selbst, auch wenn Julia Krüger das so sagt. Das Stereotyp entfaltet automatisch seine Wirkung, denn das ist es, was bösartige Klischees tun: Sie stellen eine allen bekannte, unzulässige Verallgemeinerung dar. In unserem Kulturkreis haben wir über Generationen gelernt, dass Frauen Männern im Wissen um Technik weit unterlegen und dass sie deswegen als minderbemittelt anzusehen sind. Negative Stereotypen sind also per se unwahr und sollen jemanden verletzen.

Wenn sich Frauen über solche stereotypen Darstellungen ärgern und deswegen Luft verschaffen, dann deswegen, weil sie zurecht verletzt sind. Wenn Männer sich darüber echauffieren, dann entweder, weil sie politisch korrekt sein wollen, oder weil sie es ehrlich nicht dulden wollen, dass Frauen wieder einmal fälschlich und völlig unnötig herabgesetzt werden. Sie wissen, dass es unrecht und unredlich ist. (Es ist schön, Letztere an der Seite von Frauen zu wissen.)

 

2. „Krass, ist der riesig“ – Sexistisches Wording

Ob dieser Satz nun mit einschlägigen Gedanken oder nicht gefallen ist: Spätestens bei der Untertitelung des Videos hätte jemand nachdenken können, ob ein solcher Proll-Satz zu einer Marke wie Samsung passt. Will Samsung wirklich ein Unternehmen sein, dass Frauen keine Peinlichkeit erspart? Immerhin gab es schon häufiger üble „Unfälle“ (CNN, Stern, n-droid, AllAboutSamsung).

 

2. Das Risiko mit Influencern und wie man es minimiert

Wenn Influencer*innen nicht ausschließlich in ihrem eigenen Forum unterwegs sind, werden sie auch von ganz anderen Personen gesehen / gehört / gelesen. Das Risiko, dass der gewohnte Umgangston der Influencer*innen von Personen außerhalb ihrer Fan Base nicht genauso verstanden wird, wächst mit der Andersartigkeit des Umfelds. Die heutigen Einflussnehmer sind sehr jung, unerfahren und lernen noch fürs Leben. Daraus ist ihnen wahrlich kein Vorwurf zu machen. Doch Unternehmen, die die um jeden Preis an eine möglichst große junge Gruppe kommen wollen, unterschätzen die Gefahren für ihre anderen Kunden.

Eine Marke wie Samsung hat in Deutschland so unterschiedliche Produktverwender, dass ein Ausrutscher wie dieser mit Julia Krüger immer ins Auge gehen muss. Und heute bleibt das niemals unbemerkt. Unternehmen wie Samsung können nur froh sein, wenn die Reaktionen so klein bleiben wie diesmal. Dennoch hat Samsung mit Sicherheit auch diesmal Kunden verloren, nicht unbedingt für den Monitor, aber sicherlich für einige Smartphones. Und vielleicht auch für Fernseher. Der Clip hat garantiert nicht genügend Neukunden für den Gaming-Monitor gebracht, um den Verlust aufzuwiegen.

 

3. Das Vier-Sechs-Acht-Augen-Prinzip und mindestens einem Fachmann

Ganz offenbar waren an diesem Projekt viele Leute beteiligt, die keine echten Spezialisten für Kommunikation sind. Sonst wäre es irgendjemand aufgefallen, dass ein solches Video nicht gepostet werden kann. Früher durfte kein Brief ein ordentliches Büro verlassen, wenn er nicht von mindestens zwei Personen gegengelesen wurde. Dabei war er schon von einem professionellen Sekretariat erstellt worden. Das nannte man das Vier-Augen-Prinzip. Heute schreibt jeder seine Briefe selbst. Manchmal sieht man das.

Also: Lieber ein paar Leute mehr fragen, auch ein paar, die es drauf haben.

 

4. Und nun zur wichtigsten Frage: Wie hätte der Spot eleganter gelöst werden können?

Wenn Julia Krüger schon meint, „ganz ehrlich“ sein zu müssen, dann hätte sie Gamer*innen auf der IFA interviewen können, falls sie schon keine fachkundige Freundin hat, die sie zu Rate ziehen kann.